Neuer Tag, neue Aufregrunde. Eigentlich ganz gut, dass ich mittlerweile anscheinend meinen persönlichen Trigger in den Weiten und Tiefen der Social networks gefunden habe, denn immerhin animiert mich das zum bloggen.
Jeder der diesen Blog liest, weiß ziemlich genau, in welchen Welten und Unwelten ich mich bewege, jeder der mich kennt, weiß es sowieso. Die Fandomkultur ist für mich seit einigen Jahren essentieller Bestandteil meines Privatlebens geworden (teilweise sogar zum Nebenberuf, denn jahrelange Arbeit in Foren arbeitet oftmals tatsächlich in Arbeit aus und verlässt die virtuellen Pfeiler schneller als man denkt). Zeit, sich einmal ausführlich mit Vorurteilen, Etymologie und der Ideologie zu beschäftigen, Horizonte zu erweitern und vielleicht auch einmal zum nachdenken anzuregen.
Geek vs. Fangirl
Das ist für mich eine der größten Fragen, die im Raum steht. Ab wann ist man denn jetzt eigentlich ein Fangirl und kein Geek mehr?
Was mich persönlich ja immer etwas irritiert, ist die Tatsache, dass man in Fandoms höchst selten von Fanboyz spricht, dabei liegen die Grenzen doch eigentlich ziemlich nahe beieinander, oder nicht?
Der Begriff an sich, Fanboy/girl, sagt für mich in erster Linie aus, dass man Fan von etwas ist, inwieweit obsessiv sich das ganze auswirkt, das tut ja erstmal nicht viel zur Sache.
Ein Geek oder Nerd stellt für mich die nächste Stufe da, es ist jemand, der sich bis ins kleinste Detail mit dem entsprechenden Thema auskennt. Trotzallem sind letztere Begriffe kulturell und sozial in irgendeiner Weise akzeptierter, als die Fanboy/Girl Strömung und zudem auch bei weitem nicht so negativ behaftet. Ja, wir geben gerne zu, ein Geek zu sein, fühlen uns hip, fühlen uns informiert und cool. Aber wer gibt schon zu, ein Fangirl zu sein?
Fangirl over all the things!
Höre ich das Wort Fangirl, tun sich vor mir Abgründe auf. Ich denke an kreischende, dicke, fette Mädchen, die reihenweise in Ohnmacht fallen und mit ihren Speckfingern irgendwelche pubertären Botschaften hochhalten. Ja, das ist ein Vorurteil. Denn um ehrlich zu sein, zähl ich mich auch zu einem Fangirl, wenn auch nicht in diesem Sinne.
Ich bin weder fett, noch pickelig noch sonst irgendwie unansehnlich. Nein, eigentlich find ich mich ziemlich heiß. Ich geh auch nichtmehr zur Schule sondern habe mein Studium bereits abgeschlossen. Ich wasch mir oft die Haare und liebe Mode. Ich widerspreche meinen eigenen Vorurteilen, obwohl es eigentlich überhaupt keine Ausnahme von der Regel gibt. Ich bin einfach manchmal nur engstirnig.
Ich hatte in meinem Leben schon recht viel Starkontakt, ob ich nun zitternd in einem Interviewraum saß oder mir Zigaretten weggeschnorrt wurden. Hat immer ganz gut geklappt, natürlich stand ich auch schon mit Herzrasen und nassen Händen vor jemanden, den ich extrem attraktiv fand. Aber ich glaube, sowas bleibt nicht aus und hat sich immer spätestens dann bei mir gelegt, wenn ich betrunken ein paar Sätze mit den Leuten geredet habe. Sind ja auch nur normale Menschen und man möge es nicht glauben, teilweise sogar richtige Ärsche.
Als ich letztes Jahr auf der Bloody Diaries war (nein, ich gucke kein VD, aber ich hatte eine Pressekarte) hab ich meinen persönlichen Fangirl Schock erlebt. Willst dir beim Bierchen eine rauchen, quatscht mit dem Schauspieler, der dir ein Jahr vorher rotzbesoffen deine letzten Zigaretten weggeschnorrt hat und bist plötzlich umgeben von einer Traube aus Mädchen, die Autogramme wollen und besagten Schauspieler wie eine Stagedivingtraube von dir wegtragen.
Was eine Erfahrung. Hyperventilierende Mädchen in den Panels, die weinen und Mädels, die in tiefe Depressionen verfallen, weil ein Ian sie nie lieben wird. Teilweise kam ich mir mit meinen Chucks, dem Jutebeutel und dem Minikleidchen vor wie die erwachsenste Person dieser Welt.
via memegenerator |
Aber trotzallem: Auch diese Mädchen haben eine Existenzberechtigung. Jeder hat das recht, sein Fangirldasein nach seiner Farcon auszuleben. Was ich befremdlich finde, empfinden andere als normal. Kann ich sie verurteilen? Viele Leute finden es wahrscheinlich schon befremdlich, dass ich nach Brüssel gefahren bin und mich 5 Stunden in einem Pub betrunken habe, nur weil Benedict Cumberbatch vor dem Fenster gedreht hat. Und nur weil ich mir nicht die Blöße geben wollte und ihn ansprechen wollte (hinterher hält man mich noch für ein Fangirl), macht mich das nicht besser, als das Mädchen, das zitternd um ein Autogramm bittet. Nur weil ich meinen Sherlock Beutel umdrehe, wenn ich an der Serienbakerstreet vorbeilaufe (man könnte mich ja für ein Fangirl halten), bin ich nicht besser als das Mädchen, das ihre Cumberbitch Tasche mit Stolz durch die Gegend trägt.
Fangirl sein ist universell und wir haben alle eine Gemeinsamkeit: Die Liebe zu einer bestimmten Sache, die Freude daran, sich nach der Arbeit in eine kleine Parallelwelt zurückziehen zu können. Fanfictions schreiben, diskutieren, sich ausleben, Rollenspiele spielen, was auch immer.
Den Alltag zu vergessen, für einen kleinen Moment. Ich hasse Konformität. Ich mag sie nicht. Die Welt wär scheiße, wenn wir alle gleich wären.
via chachic.files.wordpress.com |
Fandom Unterschiede, Fanguuurling around the clock
Das witzige finde ich, dass die Unterschiede innerhalb eines Fandoms geradezu signifikant sind.
Um das zu verdeutlichen, nehme ich einmal die drei Serien, in dessen Fandoms ich mich bewegt und gearbeitet habe.
True Blood: Das True Blood Fandom war für mich bisher eines der angenehmsten, was vielleicht daran liegen mag, dass ich jahrelang ein Forum mit moderiert hatte und man Moderatoren ja gerne mal in den Arsch kriecht. Davon abgesehen gab es nur ein paar Totalausfälle, aber ansonsten waren mir das sehr liebe Fangirls. Höflich, respektabel- unglaublich freundlich im Umgang miteinander. Und das um die ganze Welt. Kaum Gezicke, schönes Cosplay, der Spaß an der Sache stand im Vordergrund, genause wie das gemeinsame Sabbern in FSK18 Bereichen.
Einfach schön, wie es sein sollte. Unterschiedliche Altersschichten, Berufsfelder... Freundschaften wurden geschlossen, die bis heute bestehen. Und ich meine keinen oberflächlichen, sondern in der echten Welt.
SOA: Vollkommen andere Welt. ich sage immer- das hübscheste Fandom überhaupt, aber auch das intoleranteste und Kodderschnauzigste, was daran liegen mag, dass die Serie seinen Ursprung in der Bikerszene hat. Hier wird öffentlich geschmachtet und heiß gefunden, das typische Fangirl trägt Mini und Lederweste. Das schöne an dem Fandom ist, dass es fast schon zu einem kleinen Kodex geworden ist, je nachdem, wo man sich aufhält. In der Düsseldorfer Altstadt wird in einigen einschlägigen Kneipen sogar ein neuer Dresscode geboren, man sieht Türsteher in an die Serie angelehnten Shirts und Kellnerinnen, deren Möpse aus dem SOA Shirt hüpfen. Ja, hier fühl ich mich wohl. Denn hier hält Fankultur Einzug in die Realität. Ich muss mir nicht mehr doof vorkommen. Davon abgesehen, dass das ja eh alles mehr mein Ding ist, denn ich liebe Rock, Bier und zwilichtige Typen. ;)
Sherlock ist wohl so ein Mischmasch aus beiden. Du hast die harten Fanfictionschreiber, die gerne mal homoerotische Stories raushauen und du hast die, die sie zerreißen.
Trotzallem würde ich mir langsam mal wünschen, dass egal, in welcher Welt man sich gerade bewegt- ob zwischen bärtigen Rockern, fünfzehnjährigen mit Pickeln, hübschen, hässlichen, dummen oder gebildeten Menschen- der Zusammenhalt mal ein wenig stärker wird. Uns verbindet doch alle so eine schöne Sache und für mich ist es das schönste Hobby überhaupt, warum kann man dann nicht über seinen Schatten springen und die Leute leben lassen? Warum muss das eine schlecht sein und das andere gut? Es ist doch vollkommen unwichtig. Denn letzten Endes, wenn wir rausgehen an die frische Luft, mit unseren Freunden zusammensitzen und Spaß haben, dann spielt sich doch eh alles nur in unseren Köpfen ab. Andrew Scott wird niemals mit mir schlafen, selbst wenn er hetero wäre. Vampire existieren in der realen Welt nicht, weshalb es egal ist, ob ich Team Eric oder Bill bin.
Aber sich zusammen irgendwo in dieser Fantasie zu verlieren, sich auszutauschen, auch wenn es nur in meinem Kopf passiert; das alles macht viel mehr Spaß, wenn man es zusammen tut.
Streit und Vorurteile existieren in der realen Welt genug.
Wenn ich fangirle, ist es jedem überlassen, wegzuklicken. Wenn ich das dicke, schwitzende Mädchen mit dem Cumberbitch Transparent sehe, ist es mir überlassen, wegzugucken.
Alles ganz einfach. Oder nicht?