Mittwoch, 15. Januar 2014

Bin ich eigentlich eklig oder bist du Homophob?- Oder ist doch alles ganz anders?

Ich hatte gestern eine sehr seltsame Debatte auf Facebook, und ich kann nicht einmal sagen, dass mich das zum nachdenken angeregt hat, aber es war mit Sicherheit der letzte Tropfen auf dem heißen Stein, mich als Teilzeit Bloggerin doch auch mal zu diesem sehr wichtigem Thema zu äußern.



via BBC


Es begann mit einem sehr unschuldigen Satz in meinem Afterword, in dem ich erwähnte, dass ich die Kussszene zwischen Moriarty und Sherlock nett anzuschauen fand. Dass man mir daraufhin Shipping vorwirft, ok, damit konnte ich dann noch gut leben, obwohl ich selber es nicht so sehe, denn ich bin wahrscheinlich der "Stay-In-Character" Mensch schlechthin. Was mir allerdings wirklich etwas aufstieß, war das Wort "suspekt" und der darauffolgende Satz "Man sollte nicht zusammenpacken, was nicht zusammengehört."



Ich lag gestern lange wach und habe mir darüber Gedanken gemacht, wieso mir diese Worte so sauer aufgestoßen haben. Bis der Groschen dann letztendlich fiel, denn obwohl die gute diesen Satz mit Sicherheit nicht so gemeint hatte, klingelten bei mir die Homophobie Glocken.

Ich frage mich also: Warum ist es suspekt, oder gar eklig, sich an zwei schönen Männern zu erfreuen, die sich küssen? Und warum fallen solche Sätze nicht zu den tausenden Irene/Sherlock Fanfictions, wo diese Kombination doch eigentlich wesentlich abstruser und OOC zu sein scheint?
Weil das Bild, dass die Medien uns von Prinz und Prinzessin aufdrückt, sich so dermaßen in unser Hirn gebrannt hat, dass es uns nicht mehr "suspekt" erscheint?
Ich denke ja.
Sind wir mal ehrlich, mehr als ein müdes Lächeln, oder der Satz "Das ist so out of Canon." verlangen uns solche Geschichten nicht ab. Lesen wir eine Fanfiction über das ausschweifende Sexleben des Sheldon Cooper reagieren wir mit einem genervten "Never gonna happen."
Lesen wir eine Fanfiction über das ausschweifende Sexleben der Penny, die es mit Bernadette treibt, reagieren wir mit einem geilen "Never gonna happen."
Aber wir reagieren nicht mit: "Packe nicht zusammen, was nicht zusammengehört. Solche Menschen sind äußerst suspekt. Never gonna happen."


via GQ Mundpropaganda

                           


Wieso? Wie kann das passieren?

Ich bin ehrlich, ich habe mich seit letzter Woche, wo ich mich mit einem Statement bei der GQ Mundpropaganda Aktion meldete, nicht wirklich mit dem Thema Homophobie in Deutschland auseinandergesetzt. Mit der Politik, der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, mit den USA und Russland, ja. Aber nie mit der Reaktion darauf in unseren Social Networks.
Und erst bei dem Outing von Hitzlsperger ist mir überhaupte erstmal aufgefallen, wie unaufgeklärt, hasserfüllt und weltfremd unsere tolerante und aufgeklärte Gesellschaft ist. Nicht dass ich obengenannte Dame mit diesen grenzdebilen Idioten in einen Topf werfen möchte, denn es war mit großer Sicherheit vollkommen anders gemeint, aber auch hier müssen wir uns fragen: Wo hört Geschmack auf- und wo fängt Homophobie an?


Ich bin in einem Goldfischglas aufgewachsen. Tolerant erzogen, geliebt, Mutter geschieden, aber Ziehvater. Schwule Freunde im Bekanntenkreis meiner Eltern, Hippies, Altpunks, Popper, Liebe, Freundschaft. Ich selber habe viel schwule Bekannte. Kenne Transsexuelle seit ich 10 bin. Als ich 13 war, traf ich Andy wieder, den Jungen aus meinen Tanzkurs mit den Plateaubuffallos, der jetzt Andrea hieß und mir als Heranwachsende in nichts nach stand.

Als ich 13 war, mich selber fand, und meinen Freundinnen erzählte, dass ich Mädchen eigentlich auch so toll fand wie Jungs, schlug mir nur Sympathie entgegen. Klar, ich bin ja auch ein hübsches Mädchen, da ist so etwas legitim. Jetzt wo ich erwachsen bin, weiß ich gar nicht so recht, was ich bin. Ich bin mit Sicherheit nicht lesbisch, ich bin nicht hetero, bi bin ich aber auch nicht. Mich langweilt so eine Frage, mich interessiert meine Sexualität schlicht und ergreifend nicht. Und sie interessiert mich bis heute auch bei anderen nicht. Ich guck mir halt an, was gerade in diesem Moment bei mir Gefallen auslöst.

                         
via truebloodnet.com

Ich bin verheiratet, liebe es aber trotzdem, wenn mich die hübschesten Frauen in der Disko besoffen angraben und nicht meine männlichen Mitstreiter. Ich liebe Bärte, bei Harleys werd ich schwach und ich häng gerne mit Rockern zusammen. Miniröcke trage ich genauso genauso gerne wie Hosen. Warum ich das erzähle? Weil es nichts zur Sache tut. Würdet ihr mich sehen, würdet ihr mich wahrscheinlich zunächst für das Klischeepüppchen halten, dass in ihrem Rollendenken in den 50er Jahren hängengeblieben ist. Meine sexuellen Vorlieben stehen mir nicht ins Gesicht geschrieben, sollen sie auch gar nicht, und ich wünsche mir den Punkt, an dem es auch keinen mehr interessiert.
Aber noch lebe ich anscheinend in einer Welt, in der solche Äußerungen suspekt sind und ich mich fühlen muss, als wenn ich anders wäre. Dabei bin ich es doch gar nicht. Und ein Hitzlsperger ist es auch nicht.

Ich finde diese ganze Debatte traurig und erschreckend muss ich sagen, ich möchte nicht in einem Land leben, in dem "Schwuchtel" eine Standardbeleidigung ist, für jemanden, der scheiße ist. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Petitionen aufgesetzt werden, in denen verlangt wird, dass Homosexualität nicht in den Sexualkundeunterricht mit einfließen soll. Nur langsam wird es in meinem Goldfischglas dann doch eng, denn einmal heraus gesprungen, fällt es schwer, Luft zu schnappen.

Was ich mir wünsche? Nun, ich wünsche mir eine Welt, in der Fußballeroutings mit einem "Mir doch latte." abgetan werden. Eine Welt, in der nicht nur schöne Frauen Toleranz erfahren, sondern auch Männer, egal, wie sie aussehen. Ich wünsche mir, dass Leute ihre Engstirnigkeit beiseite schaffen und ihre politische Energie in wichtige Sachen stecken. Zu guter letzt wünsche ich mir allerdings eine Welt, in der ich einen Kommentar zu der Kussszene zweier Männer posten kann, ohne, dass jemand dieses mit dem Wort suspekt kommentiert.

Ja, vielleicht sogar einfach nur mit einem äußerst müden "Never gonna happen."

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